Aachen, 18. Dezember 2023 – Die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, -Parlament und -Rat um die EURO-7-Norm dauern an. Betrachtet man ihre Historie, wird deutlich: Zahlreiche Vorschläge sorgten bereits für Verwirrung in der öffentlichen Wahrnehmung – aber erst jetzt kommen die Parteien zusammen, um eine konsensfähige Lösung zu finden.
Vor dem Hintergrund des Europäischen Green Deals hatte die Europäische Kommission am 10. November 2022 einen Vorschlag für strengere Grenzwerte für Luftschadstoffemissionen für Fahrzeuge vorgelegt, unabhängig vom verwendeten Antriebsprinzip. Der Vorschlag legte dabei erstmalig nicht nur Abgasgrenzwerte für Verbrennungsmotoren über die gesamte Lebensdauer von Fahrzeugen fest, sondern zusätzlich auch Grenzwerte für Nicht-Abgasemissionen wie Partikelemissionen von Bremsen (Richtwert bei < 7 mg/km für Partikel der Größe PM 10 und kleiner[1]) und Reifen. Darüber hinaus sollten Mindestleistungsanforderungen für die Dauerhaltbarkeit von Elektroautobatterien eingeführt werden. Für Pkw und Transporter waren die neuen Vorschriften ab 2025, für Busse und Lkw ab 2027 und für Kleinserienhersteller ab 2030 geplant.
Luftverschmutzung ist Treiber für Euro-7-Norm
Vorrangiges Ziel ist es, die globale Luftverschmutzung zu reduzieren. Weltweit werden ungefähr 4,5 Millionen vorzeitige Todesfälle mit Luftverschmutzung in Verbindung gebracht. Besonders der lungengängige Feinstaub mit einer Größe unter 2,5 μm (PM 2,5) wird als signifikantes Risiko für Krebs- sowie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen angesehen. Im September 2021 reagierte die WHO bereits auf diese besorgniserregende Entwicklung und verschärfte in ihrer aktualisierten Leitlinie die Grenzwerte für Feinstaubemissionen und Stickstoffdioxid deutlich[2].
Rat schwächt Vorschlag der Kommission ab
Am 25. September 2023 hat der Europäische Rat für schwächere Richtlinien gestimmt und ist damit in einigen Teilen vom Kommissionsvorschlag vom 10. November 2022 abgewichen. Deutschland hatte sich für strengere Abgaswerte eingesetzt und gegen den Kompromiss gestimmt, konnte sich letztlich aber nicht durchsetzen. So wird im Standpunkt des Rates wieder auf die bestehenden Testbedingungen und Emissionsgrenzwerte (wie in der EURO-6-Norm festgelegt) für Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 (private Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge) zurückgegriffen. Der Rat blieb jedoch bei den vorgelegten Grenzwerten für Bremspartikelemissionen und Reifenabriebraten.
Rückzieher auch vom Europäischen Parlament
Das Europäische Parlament stimmte dem Vorschlag des Rates am 12. Oktober 2023 mit Ergänzungen zu. Die Abgeordneten billigten die von der Kommission vorgeschlagenen Werte für Schadstoffemissionen wie Stickoxide, Partikel, Kohlenmonoxid und Ammoniak für Pkw. Zusätzlich schlagen sie eine Unterteilung der Emissionen vor. Diese soll in drei Kategorien auf Grundlage ihres Gewichts erfolgen. Basierend auf dem neuen Entwurf sollen die derzeitigen Euro-6-Vorschriften für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zum 1. Juli 2030 und für Busse und Lkw zum 1. Juli 2031 gelten. Die EU-Kommission forderte dagegen eine Geltungsdauer ab 2025 bzw. 2027.
Finale Kompromisseinigung bis Jahresende erhofft
In den nächsten Wochen stehen Verhandlungen mit Regierungsvertretern aus, um zu einer Kompromisslösung zu gelangen. „Für die Automobilhersteller müssen endlich Fakten auf den Tisch kommen. Für eine Einführung in 2026 und 2027 brauchen die Hersteller dringend Planungssicherheit. Nur so lässt sich die emissionsarme Bremse noch rechtzeitig fertig entwickeln und für alle Fahrzeugtypen durchhomologieren“, sagt Dr.-Ing. Phillip Utsch, Mitglied der Geschäftsführung des Tech-Unternehmens HPL Technologies GmbH. Mit-Geschäftsführer Prof. Dr.-Ing. Johannes Henrich Schleifenbaum ergänzt: „Mit unseren erprobten WECODUR-Schichtsystemen bieten wir einen direkten Aufsatzpunkt für die Serienentwicklung der OEM. Damit können Hersteller heute schon die Produktionstechnologie für den Roll-out der Produktionsplanung festlegen. Das ist auch notwendig, denn schließlich geschehen Maschinenbeschaffung und Ramp-up nicht über Nacht.“
[1] Als Feinstaub (PM 10) bezeichnet man Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 10 Mikrometer (µm). Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (PM 2,5) ist vor allem aufgrund seiner geringen Größe ein Gesundheitsrisiko.
[2] Die WHO-Empfehlung für die Langzeitbelastung mit Feinstaub PM 2,5 liegt nun bei 5 statt bisher 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (EU-Grenzwert 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft), die für Feinstaub PM 10 bei 15 statt bisher 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (EU-Grenzwert 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft).