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Belastungsprobe für D&O-Markt

„Der gefährliche Mix aus immensen Schadenersatzzahlungen, explodierenden Anwalts- und Beratungskosten sowie zunehmenden Insolvenzen könnte in ein bis zwei Jahren erneut eine harte Marktphase in der D&O-Versicherung auslösen.“
Philipp Rouget, Head of FINEX Deutschland und Österreich bei Willis, einem Geschäftsbereich von WTW
 

Frankfurt am Main, 9. Oktober 2025 –  Großverfahren rund um den VW-Dieselskandal und die Telekom prägen derzeit die Diskussion um die Haftungs- und Deckungsreichweite in der Managerhaftung. Parallel dazu steigen die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland und Europa auf ein Niveau wie zuletzt vor über zehn Jahren. Diese Kombination aus juristischen Präzedenzfällen und breiten Portfoliorisiken belastet die Managerhaftpflichtversicherung (D&O) und könnte den Markt erneut in eine harte Phase führen.   

Juristische Großschäden setzen neue Maßstäbe

Das BGH hat den 270-Millionen-Euro-Vergleich zwischen VW und mehreren D&O-Versicherern für nichtig erklärt – ein Signal mit weitreichenden Folgen. Ein neuer Vergleich oder gar ein finales Scheitern mit der Konsequenz, dass VW gezwungen wäre, die Ansprüche weiter zu verfolgen, könnte für alle Beteiligten noch teurer werden und die Anbieter schwer treffen.

Erst diese Woche einigten sich Versicherer im Vergleich mit dem im Dieselskandal involvierten Zulieferer Continental auf eine Zahlung im zweistelligen Millionenbereich. Zwar kamen sie damit glimpflich davon – die ursprüngliche Forderung lag bei 300 Millionen Euro –, doch die nächste Belastungsprobe steht schon bevor: Eine US-Sammelklage gegen die Telekom könnte D&O-Versicherer ebenfalls bis zu 300 Millionen Euro kosten. Auch hier wären marktführende D&O-Versicherer spürbar betroffen. 

Alle Fälle sind individuell, aber sie zeigen: D&O-Schäden sind keine Einzelfälle mit klarer Haftungskette mehr. Sie entwickeln sich zu komplexen, langwierigen Justizverfahren und werfen Deckungsfragen immer wieder neu auf. Schnelle Vergleiche könnten künftig seltener werden, und wie schon 2019 zeigen sich erste Zeichen eines zunehmenden „Underpricings“ für US-Risiken. Entsprechend wächst global der Druck auf Versicherer, ihre Rückstellungen zu erhöhen und Risiken neu zu bewerten.

Insolvenzwelle als systemischer Stressfaktor 

Gleichzeitig nimmt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen seit 2024 signifikant zu. Treiber sind steigende Zinsen und Refinanzierungsdruck, geopolitische Risiken sowie hohe Energie- und Lohnkosten. Insolvenzbedingte Managerhaftungsfälle fallen zwar meist kleiner aus, treten aber häufiger auf und summieren sich so zu einer erheblichen Belastung. Für die Anbieter entsteht das Risiko vieler mittelgroßer Schäden, die das Portfolio empfindlich treffen. 

Marktverhärtung nicht ausgeschlossen 

Dieser gefährliche Mix aus immensen Schadenersatzzahlungen, explodierenden Anwalts- und Beratungskosten sowie zunehmenden Insolvenzen bringt Bewegung in den Markt: Managerhaftpflichtversicherer müssten zukünftig wieder mit höheren Schadenquoten kalkulieren. Preissteigerungen und striktere Risikoselektion wären die Folge. Gleichzeitig könnten Rückversicherer die Reißleine ziehen und deutsche D&O-Portfolios kritischer bewerten – was den Druck auf Prämienerhöhungen weiter verstärken dürfte.